Armash Nalbandian ist seit 2004 Bischof von Damaskus. Er lebte davor lange Zeit in Deutschland Foto: Armenische Gemeinde in Deutschland
Armash Nalbandian ist seit 2004 Bischof von Damaskus. Er lebte davor lange Zeit in DeutschlandFoto: Armenische Gemeinde in Deutschland

stuttgarter-nachrichten.de – htmlhristoph Meyer, 08.01.2015

Armash Nalbandian kämpft um das Überleben der armenischen Christen in Syrien. Der armenische Bischof von Damaskus glaubt aber, dass Muslime und Christen wieder in Frieden miteinander leben werden.

Damaskus/Stuttgart – Bischof Armash, wie geht es Ihnen?

Mir geht es den Umständen entsprechend gut. Im vergangenen Jahr um diese Zeit war die Situation viel schlimmer. Damals musste ich vier Kinder beerdigen, die bei einem Raketenangriff auf unsere Schule ums Leben gekommen waren.
Die Kämpfe fanden am Rande der Altstadt von Damaskus statt.
Die Front zwischen Rebellen und Regierungstruppen verlief nur 500 Meter von unserer Kirche entfernt. Das haben wir glücklicherweise hinter uns. Jetzt hören wir die Schüsse und Einschläge von Geschossen nur noch aus der Ferne.
Die Regierung hat die Kontrolle in der Innenstadt wieder übernommen. Wie sieht es in anderen Gebieten aus, die zu Ihrer Diözese gehören?
In Homs kehren die Menschen langsam zurück. Auch dort hat die Regierung wieder an Boden gewonnen. Wer dort noch eine Wohnung hat, versucht nach Hause zu gehen, weil es sehr schwierig ist, ohne Einkommen in einer anderen Stadt zu leben. Im Sommer wollen wir versuchen, die Kirche dort wieder aufzubauen. In Kesab, einem Dorf an der Küste, haben wir das schon gemacht – ein Zeichen der Hoffnung für die Menschen.
Wie viele Kirchen wurden in Syrien mittlerweile zerstört?
Mehr als hundert. Unter anderem die Erinnerungskirche zum Völkermord an den Armeniern in Deir ez-Zor und das Grab der heiligen Thekla in Ma’alula. Der Pilgerort wurde von islamistischen Rebellen geschändet und geplündert. Vieles ist für immer verloren. Aber auch Moscheen wurden zerstört.
Trotzdem haben Sie Hoffnung, dass die christlichen Gemeinschaften in Syrien und dem Irak überleben werden?
Es ist sehr schwer, die Menschen zum Bleiben zu bewegen. Die Präsenz des Christentums in diesen Ländern ist gefährdet, und die Welt schaut einfach zu. Aber ich glaube, dass Muslime und Christen wieder in Frieden miteinander leben können in Syrien.
Was ist dafür notwendig?
Die muslimischen Würdenträger müssen wieder die Deutungshoheit über ihre Religion erlangen. Meiner Meinung nach ist der Islam in einer schweren Krise. Ich treffe mich regelmäßig mit muslimischen Geistlichen zum Austausch. Sie müssen der IS-Propaganda energischer entgegentreten. Man kann schon jetzt zusehen, wie die Islamophobie im Westen wächst. Wir kennen die friedliche Seite des Islam und hoffen, dass sie wieder die Oberhand gewinnen wird.
Wie haben Sie in diesem Jahr Weihnachten gefeiert?
Nur mit den Kindern. Etwa 400 Jungen und Mädchen haben wir um einen Christbaum versammelt. Ein Weihnachtsmanndarsteller hat kleine Geschenke verteilt. Ein bisschen Schokolade, Milchpulver, was man so brauchen kann. Wir wollen, dass die Kinder wieder lachen und spielen. Sie waren zu lange zu Hause eingesperrt, als in unmittelbarer ­Nähe gekämpft wurde.
Nach beinahe vier Jahren Krieg gibt es viele Kinder, die sich nicht mehr an den Frieden erinnern können. Wächst da eine verlorene Generation heran?
Natürlich verletzt dieser Krieg die Seelen vieler Kinder. Ich hoffe, dass sie die schlimmen Erlebnisse irgendwie verdrängen können. Wichtig ist für mich, dass sie in die Schule gehen können. Ich habe viele Eltern dazu überredet, ihre Kinder in die Schule zu schicken, damit sie nicht den Anschluss verlieren und einen geregelten Tagesablauf ­haben.
Haben Sie Kontakt zu Menschen, die unter der Terrorherrschaft des Islamischen Staats leben?
Nein. Die armenischen Christen sind von dort weitgehend geflohen. Ich habe Kontakt zu Menschen in Aleppo. Die Lage dort ist schlechter als bei uns. Die Versorgung mit Strom und Wasser ist sehr eingeschränkt. Wir kommunizieren per Internet oder Handy. Die Modems werden mit Autobatterie betrieben, und dann können wir mittels sozialer Medien wie Whats-App oder Viber sprechen.
Der Winter in Syrien ist kälter, als viele Menschen in Europa glauben. Wie sind die Menschen gegen Kälteeinbrüche gewappnet?
Leider schlecht. Diesel, womit die meisten Öfen hier beheizt werden, ist Mangelware. Der Schwarzmarktpreis ist für viele Menschen unbezahlbar. Manche Schüler bleiben die ganze Mittagspause über im Klassenzimmer sitzen, weil das der einzige beheizte Raum ist, den sie nutzen können. Doch auch in der Schule wird das Heizen immer schwieriger. Als Privatschule bekommen wir keine staatliche Unterstützung. Wir sind auf Spenden angewiesen.

 

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