John Nixon befragte Saddam Hussein als erster. Nun sagt er, dass alles falsch war, was die USA über den Diktator dachten. Und er beschreibt, wie die Geheimdienste George W. Bush in seinen Irrtümern noch bestärkten.

Memoiren des Saddam-Verhörers

John Nixon war der CIA-Offizier, der als erstes Saddam Hussein befragte, nachdem der Diktator im Dezember 2003 gefangen genommen worden war. Die Erinnerungen des Offiziers (“Debriefing the President: The Interrogation of Saddam Hussein”), die Ende Dezember in den USA auf den Markt kommen, streuen Salz in eine offene Wunde Amerikas. Denn noch immer sterben US-Soldaten im Irak. Nixon zeigt, dass nahezu alles, was die damalige Führung der USA über den Irak zu glauben wusste, falsch war.

Den Präsidenten glücklich machen

Erschreckend an dem Buch sei, so die “NewYork Times“, wie John Nixon die Prozesse offenlege, nach denen die CIA und andere Geheimdienste dem US-Präsidenten Informationen liefern. Nixon schreibt, dass die Dienste so erpicht darauf sind, den Präsidenten zufriedenzustellen, dass sie ihm fast immer das als Information geben, was der gerade hören will.

Saddam Hussein  schrieb Romane

In der Befragung von Saddam fielen die Luftschlösser des CIA schnell zusammen. Die erste verblüffende Erkenntnis war, dass Saddam Hussein zurzeit der US-Invasion nicht mehr die täglichen Regierungsgeschäfte leitete. “Unsere Annahme, dass er sein Land mit eisernem Griff regierte, war einfach falsch. Aus den Befragungen ging hervor, dass Saddam meistens gar nicht wusste, was in den letzten Jahren im Irak passiert war”, so Nixon.

Er beschreibt Saddam Hussein auch in der Gefangenschaft als eindrucksvolle Figur, ein einst machtvoller Mann, dessen innere Wut auch im Gefängnis noch bedrohlich wirkte. Doch die Tagesarbeit hatte Saddam in seinen letzten Jahren längst übergeben, stattdessen widmete sich der Diktator dem Schreiben eines Romans. Eine Angelegenheit, die Saddam Hussein offenbar sehr wichtig war. Saddam nannte sich selbst Politiker und Schriftsteller und beschwerte sich bitter, dass man ihm seine Schreibutensilien weggenommen habe und er das Buch nicht vollenden könne. Auf gar keinen Fall traf der Vorwurf der Bush-Regierung zu, Saddam Hussein sei mit Planungen beschäftigt gewesen, die Welt mit Krieg zu überziehen, berichtet Nixon.

Einfach nichts stimmte

Schnell zeigte sich auch, dass schon die Grundannahmen in der Saddam-Akte der CIA falsch waren. Nicht einmal die Krankengeschichte stimmte. Angeblich sollte Saddam unter heftigen Rückenschmerzen leiden, davon fand sich keine Spur. Wegen seiner Gesundheit soll er das Rauchen und Trinken aufgeben haben, auch das stimmte nicht. Alle CIA-Analysten erklärten Saddams Grausamkeit damit, dass ihn sein Stiefvater schwer misshandelt haben soll. Das wäre übrigens eine erstaunliche Übereinstimmung mit der Biografie Stalins. Gegenüber Nixon schwärmte Saddam jedoch über seinen Stiefvater, der sei der freundlichste Mensch gewesen, den er je getroffen habe. “IIbrahim Hasan – Gott segne ihn. Wenn er ein Geheimnis hatte, hat er es mit mir geteilt. Ich stand ihm näher als sein eigener Sohn, Idham.”

Ein Hort von Ja-Sagern

Die “New York Times” schreibt, dass John Nixon aufzeige, wie die CIA zu einem Hort von Ja-Sagern verkommen sei. Als Nixon dort angefangen habe zu arbeiten, sei es der Ehrgeiz der Analysten gewesen, voreilige Annahmen zu widerlegen. “Aber in den Jahren unter Clinton, Bush und Obama lernte ich, dass das Arbeitsprinzip in Wirklichkeit lautete: Mache alles so, wie es erwartet wird.”

Als es um den Irak ging, haben störende Informationen den Präsidenten nicht mehr erreicht. Damals, so Nixon, “folgte der Dienst sklavisch den Wünschen des Präsidenten, um möglichst nahe an der Macht zu sein und das enorme Budget zu rechtfertigen. Das war der eigentliche Antrieb des Geheimdienstes.”

Gegnerschaft der USA unterschätzt

Die Massenvernichtungswaffen, die den Krieg rechtfertigten, gab es bekanntlich gar nicht. Saddam bedauerte später, dass er deren Vernichtung nicht bekannter gemacht habe. Auch die Gegnerschaft der USA habe Saddam nicht verstanden, so Nixon. In seinem Verständnis seien die USA und der Irak natürliche Verbündete gegen den religiösen Extremismus gewesen.

Alternder Diktator die bessere Alternative

Sein Resümee des Irakkrieges beschreibt John Nixon in der “Daily Mail”: “Ich möchte nicht nahelegen, dass Saddam unschuldig gewesen ist. Er war ein schrecklicher Diktator, (…). Aber im Nachhinein wäre die Aussicht auf einen entwaffneten und alternden Saddam an der Macht weit besser, als die Verschwendung des Lebens unserer Soldaten und der Aufstieg des IS, von den 2,5 Billionen Dollar Kosten ganz abgesehen.”

Nur eine Person gibt es, die CIA-Mann Nixon verachtet. Und das ist US-Präsident George W. Bush. Ein Mann, der in Nixons Gegenwart dumme Witze über das nicht vorhandene Giftgas machte, als bereits 4000 US-Soldaten wegen Bushs Irrtum gefallen waren. Zu Bush fällt Nixon nur ein: “Was für ein A****loch!”

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