Die Katholischen Könige, wie sie sich nannten, Ferdinand von Aragon (1452-1516) und Isabella von Kastilien (1451-1504) machten den siegreichen Abschluss der Reconquista zur Leitlinie ihrer Politik. Foto: pa/CPA Media Co./CPA Media/Pictures From History

www.welt.de – Über 600 Jahre hinweg hatten muslimische Reiche weite Teile Spaniens kontrolliert. Doch Ende des 15. Jahrhunderts blieb den Arabern nur noch Granada. Wie hatten die Katholischen Könige das geschafft?

Die Hochzeit fand unter konspirativen Umständen statt. Als harmlose Händler verkleidet, trafen die Brautleute am 14. Oktober 1469 in der nordspanischen Stadt Valladolid ein. Prinzessin Isabella von Kastilien (18) und ihr ein Jahr jüngerer Bräutigam Kronprinz Ferdinand von Aragón sollten nach dem Willen der Eltern ganz andere Ehen schließen, denn die spanischen Teilkönigreiche waren seit Jahrhunderten verfeindet. Doch eine weitsichtige, kastilische Oppositionsgruppe unter Führung des Erzbischofs von Toledo, Alfonso Carrillo, arrangierte heimlich die am 19. Oktober 1469 geschlossene Ehe. Sie sollte nicht nur Spaniens weiteren Werdegang, sondern den Verlauf der Weltgeschichte verändern.

Im 12./13. Jahrhundert hatte Spanien eine Bewegung durchlebt, die “Reconquista” (Wiedereroberung) genannt wurde. Die christlichen Königreiche im Norden wollten das Land von den Arabern befreien, die ab 711 weite Teile der Halbinsel unter ihre Herrschaft gebracht hatten. Zunächst verlief diese Reconquista erfolgreich. 1232 wurde das mächtige Emirat von Córdoba erobert, 1241 geschah dasselbe mit Murcia und 1248 mit Sevilla.

Nur das Emirat Granada im Süden Spaniens blieb moslemisch. Zu ihm gehörten größere Städte wie Málaga, Almería und Marbella. Ab 1257 ließ der Emir Granada zur uneinnehmbaren Festung ausbauen. Ein Mauerkranz mit 1030 Wehrtürmen und dem Alhambra-Palast im Zentrum schützte die Stadt mit ihren fast 400.000 Einwohnern. Im ganzen Land wurden darüber hinaus mehr als 50 Kastelle aus festem Mauerwerk angelegt.

Foto: Infografik Die Welt In mehreren Etappen drangen die christlichen Reiche auf der Iberischen Halbinsel nach Süden vor

Weil die beiden christlichen Königreiche Kastilien und Aragón einander häufig befehdeten, blieb Granada 200 Jahre lang von Angriffen weitgehend verschont. Das änderte sich ab 1469 durch die anfangs geschilderte Hochzeit. Nachdem Isabella 1474 Königin von Kastilien geworden war, vereinigten sich die beiden Reiche fünf Jahre später zum Land Spanien. In diesem christlichen Königreich steckte das islamische Emirat Granada wie ein Fremdkörper.

Isabella und Ferdinand leisteten den heiligen Schwur, ganz Spanien von den “mudéjares” (Mauren oder Moslems) zu befreien. Wobei die Königin sicher die treibende Kraft war.

Die 1451 geborene Isabella, Tochter des Königs Juan II. von Kastilien, wird schon im jugendlichen Alter als beharrlich, gründlich und gottesfürchtig, aber auch als eitel charakterisiert. Ihre äußere Erscheinung beherrschten die blaugrünen Augen, jene berühmten “ojos garzos” der Dynastie Trastámara. Ihr heller Teint und das rotblonde Haar ließen die mittelgroße, etwas gedrungene Statur vergessen. “Wahrscheinlich war mehr ihr Wesen, ihre Persönlichkeit, das Anziehende an ihr, ebenso ihre Aura von Noblesse und Würde”, schreibt die Historikerin Marita A. Panzer in ihrem Essay “Das Katholische Königspaar”.

Isabellas Gemahl Ferdinand zeigte eher eine schillernde Persönlichkeit. “Unaufrichtig, derb, listenreich, habgierig, misstrauisch und rachsüchtig, aber auch energisch, unermüdlich und mannhaft, wohingegen Isabella Großmut und tiefe, persönliche Frömmigkeit mit Zielstrebigkeit, Phantasie und Entscheidungsfreude vereinte”, schreibt Panzer.

Zu diesen Unterschieden im geistigen Niveau kam die Tatsache, dass Kastilien in jeder Hinsicht bedeutender war als Aragón. Um 1500 lebten hier sechs Millionen Menschen, in Aragón kaum eine Million. Die wirtschaftliche Entwicklung des auch territorial wesentlich größeren Kastiliens war viel weiter fortgeschritten als im Nachbarland. Das ermöglichte dem Königspaar den Unterhalt einer schlagkräftigen Armee.

Foto: picture-alliance / akg-images / Mit einem Heer von 10.000 Reitern und 16.000 Fußsoldaten begann der Angriff auf das Emirat Granada

Der seit 1464 regierende Emir von Granada Abul Hassan lieferte in völliger Fehleinschätzung dieses Kräfteverhältnisses seinen Feinden einen Kriegsgrund. 1481 griff er die spanische Festungsstadt Zahara de la Sierra nahe Cádiz an, die durch den Orden der Ritter von Santiago verteidigt wurde. Daraufhin stellte das Königspaar ein Heer von 10.000 Reitern und 16.000 Fußsoldaten sowie umfangreicher Artillerie auf und begann das Emirat systematisch zu belagern.

Abul Hassan wurde schon 1482 von seinem 20-jährigen Sohn Mohammed XII. Abu Abdallah gestürzt, der den Krieg weiterführte. “Beeinflusst durch die Eingebungen seiner Berater, seiner furchtbaren Mutter Fatima und wohl auch durch das Volk von Granada selbst, ließ er sich auf einen schicksalhaften Kampf gegen die Spanier ein”, resümiert der britische Historiker David Nicolle.

Was die Mauren nicht einkalkulierten, war die Nutzlosigkeit ihrer mächtigen Festungswälle gegen die neuen Geschütze. Spaniens Feldherrn Rodrigo Ponce de León und Enrique de Guzmán schossen mit ihren Kanonen eine Stadt nach der anderen sturmreif. Als erste fiel schon 1482 die zentral gelegene Festung Alhama. Das Emirat war dadurch in zwei Hälften geteilt. Im Juni 1485 wurde Marbella erobert, im August 1487 folgte Málaga und Ende 1489 Almería.

Im April 1491 begann die Belagerung von Granada. Ihre Mauern trotzten der spanischen Artillerie lange. Außerdem machte Abu Abdallah, den die Christen “Boabdil” nannten, mehrere tollkühne Ausfälle mit seinen Kriegern, die jedes Mal größere Verwirrung stifteten. Isabella und Ferdinand nahmen seit dem Jahresende persönlich am Kriegsgeschehen teil.

Foto: picture alliance / United Archiv So darf man sich wohl Kolumbus am Hof Isabellas und Ferdinands vorstellen

Als das christliche Heerlager durch ein Unglück niederbrannte, ließen sie westlich von Granada eine ganze Stadt aus dem Boden stampfen, die sie Santa Fe (heiliger Glaube) tauften. Hier empfing Königin Isabella am 27. April 1491 einen Mann mit hochfliegenden Plänen: Christoph Kolumbus. Er war ihr schon im Mai 1486 zum ersten Mal begegnet.

Obwohl Spaniens Staatskasse aufgrund des Maurenkrieges fast leer war, sicherte Isabelle ihre finanzielle Unterstützung für Kolumbus’ Entdeckungsfahrt nach Indien zu, wenn nur erst Granada gefallen sei. Sie wollte sogar große Teile ihres persönlichen Schmucks verpfänden, um Mittel für die Reise aufzubringen. Den Weitblick der 40-jährigen Monarchin kann man nur bewundern, denn fünf Jahre zuvor war eine Kommission aus Naturwissenschaftlern und Theologen der Universität Salamanca zu dem Ergebnis gelangt, ein derartiges Unternehmen sei zum Scheitern verurteilt.

In Granada erkannte Emir Boabdil die hoffnungslose Lage. Gegen den Widerspruch seiner Generäle bot er die Kapitulation an. Am 2. Januar 1492 überreichte er Isabella und Ferdinand unterwürfig die Torschlüssel von Granada. Vier Tage später zog das Königspaar triumphal in die nun wieder christliche Stadt ein. Spanien war nach fast 800 Jahren ein geeintes Land geworden.

Foto: picture alliance / CPA Media Co. Am 2. Januar 1492 überreichte Emir Boabdil Isabella und Ferdinand die Torschlüssel von Granada

Den unterworfenen Mauren wurde Glaubensfreiheit zugesichert. Aber der Geist der Toleranz konnte sich nicht lange gegen den Kreuzzugseifer halten, der die Reconquista vorangetrieben hatte. Bereits am 31. März 1492 hatten die katholischen Könige das Dekret ihres Generalinquisitors Tomás de Torquemade unterschrieben, nach dem alle Juden das Land zu verlassen hatten, wenn sie nicht zum Christentum konvertierten. Rund 40- bis 50.000 Sepharden verließen das Land.

1502 wurden die Mauren vor die Wahl gestellt: Taufe oder Emigration. Das Gros wählte die Konversion, argwöhnisch beäugt von der Inquisition, die über die Reinhaltung des Glaubens in Kastilien und Aragón wachte. 1609 wurden schließlich Hunderttausende dieser “Moriscos” vertrieben.

Ihre Sonnenseite fand die Reconquista im Westen. Ende April 1492 versorgte die Königin Kolumbus mit dem nötigen Geld und der Ausstattung für seine Entdeckungsfahrt. Denn wenn der kühne Mann recht hätte, so ihre Überlegung, dann böte sich hier eine Chance, dem großen kolonialen Konkurrenten Portugal nebst seinen Eroberungen in Afrika und Asien etwas Ebenbürtiges an die Seite zu stellen.

Sieben Monate nach der Eroberung von Granada brach Kolumbus von Spanien aus zu seiner großen Seefahrt auf. Sie sollte die Welt verändern.

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