Madlen Vartian kämpfte hart dafür, dass sie den ihr aufgezwungen türkischen Namen „Gülbeyaz“ ablegen konnte Madlen Vartian wollte ihren türkischen Namen Gülbeyaz ablegen, doch die Kölner Stadtverwaltung untersagte es. Die Anwältin kämpfte für ihren Wunsch, denn dieser Name wurde ihr aufgezwungen.

Als der Standesbeamte die junge Frau nach ihrem Namen fragte, bekam er eine sonderbare Antwort: “Ich muss Madlen Gülbeyaz heißen”. Der Beamte musterte die charmante Dame mit den schwarzen Locken. In seinem Gesicht zeichnete sich ein Mix aus Unverständnis und Sorge ab. Vermutlich hielt er sie für verrückt. Sogleich erläuterte Madlen Gülbeyaz ihr Anliegen. Sie wolle ihren türkischen Nachnamen ändern, mit dem sie sich einfach nicht identifizieren könne.

Als der Beamte hörte, dass Gülbeyaz auf Deutsch “weiße Rose” heißt, erkundigte er sich, warum sie einen so schönen Namen ändern wolle. Die damals 25-Jährige erklärte in vielen Worten, was man in einem Satz so ausdrücken könnte: weil an diesem Namen Blut klebt. Denn Madlen Gülbeyaz ist nicht, wie ihr Nachname nahelegt, türkischer Abstammung, sondern armenischer. Und die armenische Volksgruppe wurde 1915 im Osmanischen Reich bekanntlich Opfer eines millionenfachen Massenmords.

Auch die Familie von Gülbeyaz wurde damals fast ausgelöscht. Später, in den ersten Jahrzehnten der türkischen Republik, wurden die verbliebenen Armenier ebenfalls unterdrückt. Ab 1935 wurden alle nichttürkischen Bewohner der Türkei zudem genötigt, ihre bisherigen – armenischen, aramäischen oder kurdischen – Familiennamen gegen einen türkischen einzutauschen. Dass aber die türkischen Täter den armenischen Opfern auch noch ihre alte Identität rauben sollten, dass sie die letzten Spuren von Armeniertum selbst aus dem Familiennamen auszulöschen versuchten, das findet Gülbeyaz unerträglich.

Und da sie auch Deutsche ist, glaubte sie, hier könne sie ihren ungeliebten Nachnamen problemlos ablegen. Aber weit gefehlt. Der Standesbeamte weigerte sich.

 Dafür, dass die Kölner Rechtsanwältin ihren aramäischen Namen „Vartian“ auf ihr Briefpapier schreiben darf, hat sie lange und hart gekämpft

Foto: Kirsten Neumann Die Kölner Rechtsanwältin Madlen Vartian hat lange dafür gekämpft, ihren armenischen Namen auf Briefpapier schreiben zu dürfen

Als der Standesbeamte die junge Frau nach ihrem Namen fragte, bekam er eine sonderbare Antwort: “Ich muss Madlen Gülbeyaz heißen”. Der Beamte musterte die charmante Dame mit den schwarzen Locken. In seinem Gesicht zeichnete sich ein Mix aus Unverständnis und Sorge ab. Vermutlich hielt er sie für verrückt. Sogleich erläuterte Madlen Gülbeyaz ihr Anliegen. Sie wolle ihren türkischen Nachnamen ändern, mit dem sie sich einfach nicht identifizieren könne.

Als der Beamte hörte, dass Gülbeyaz auf Deutsch “weiße Rose” heißt, erkundigte er sich, warum sie einen so schönen Namen ändern wolle. Die damals 25-Jährige erklärte in vielen Worten, was man in einem Satz so ausdrücken könnte: weil an diesem Namen Blut klebt. Denn Madlen Gülbeyaz ist nicht, wie ihr Nachname nahelegt, türkischer Abstammung, sondern armenischer. Und die armenische Volksgruppe wurde 1915 im Osmanischen Reich bekanntlich Opfer eines millionenfachen Massenmords.

Auch die Familie von Gülbeyaz wurde damals fast ausgelöscht. Später, in den ersten Jahrzehnten der türkischen Republik, wurden die verbliebenen Armenier ebenfalls unterdrückt. Ab 1935 wurden alle nichttürkischen Bewohner der Türkei zudem genötigt, ihre bisherigen – armenischen, aramäischen oder kurdischen – Familiennamen gegen einen türkischen einzutauschen. Dass aber die türkischen Täter den armenischen Opfern auch noch ihre alte Identität rauben sollten, dass sie die letzten Spuren von Armeniertum selbst aus dem Familiennamen auszulöschen versuchten, das findet Gülbeyaz unerträglich.

Und da sie auch Deutsche ist, glaubte sie, hier könne sie ihren ungeliebten Nachnamen problemlos ablegen. Aber weit gefehlt. Der Standesbeamte weigerte sich. Dazu sei er erst bereit, wenn Gülbeyaz ihm ein psychiatrisches Attest vorlege. Aus dem müsse hervorgehen, dass sie durch ihren Namen traumatisiert sei, erläuterte er. Alles andere sei “kein wichtiger Grund”.

Was wichtige Gründe sind

Dazu sei er erst bereit, wenn Gülbeyaz ihm ein psychiatrisches Attest vorlege. Aus dem müsse hervorgehen, dass sie durch ihren Namen traumatisiert sei, erläuterte er. Alles andere sei “kein wichtiger Grund”.

Was wichtige Gründe sind

Szenen wie diese aus einem Kölner Standesamt haben sich deutschlandweit schon oft abgespielt. Damit soll nun Schluss sein. Kurz vor der Wahl hat das Bundeskabinett noch eine Verwaltungsvorschrift zum Namensänderungsrecht ergänzt, die vor allem eine Frage neu beantwortet: Was ist ein “wichtiger Grund”, der eine Namensänderung rechtfertigt?

Bislang liegt ein solcher vor, wenn der Nachname zum Beispiel offenkundig abstoßend wirkt. Laut Kabinettsbeschluss liegt ein solcher Grund künftig aber auch dann vor, wenn ein aufgezwungener Name “Ausdruck von Verfolgung und Unterdrückung” ist. Namensänderungen würden dadurch also erheblich leichter.

Inspiriert wurde das Kabinett zu diesem Beschluss durch den CDU-Bundestagsabgeordneten Reinhold Sendker aus dem westfälischen Kreis Warendorf. Dieser Kreis gilt als Hochburg einer anderen türkeistämmigen Volksgruppe, die ebenfalls im Osmanischen Reich und in der türkischen Republik verfolgt wurde: der über 100.000 deutschen Aramäer. Auch ihren Familien wurde seit 1935 in der Türkei ein türkischer Nachname aufgezwungen.

Hunderte deutsche Aramäer versuchten bereits, diesen Namen wieder abzulegen – fast immer vergeblich. Daraufhin wandten sie sich an ihren Wahlkreisabgeordneten Sendker. Der machte das Bundesinnenministerium aufmerksam. Und das BMI handelte erstaunlich schnell.

Parallelen zu Juden

In Zukunft könnte dadurch Tausenden Bundesbürgern erspart bleiben, was Madlen Gülbeyaz noch auf sich nehmen musste. Sie ließ sich von dem Kölner Beamten nicht entmutigen und besuchte den psychiatrischen Oberarzt einer Uniklinik im Ruhrgebiet. Der hatte sich eingehend mit Überlebenden und Nachfahren eines anderen Massenmordes beschäftigt: des Genozids an den Juden.

Bei der deutschen Armenierin erkannte er schnell Parallelen zum Schicksal mancher deutscher Juden. Auch von ihnen litten viele darunter, einen deutschen Namen zu tragen – der sie mit dem Volk der Täter identifizierte, obwohl Angehörige dieses Volkes doch versucht hatten, sie auszulöschen.

Ähnlich empfand Madlen Gülbeyaz. Auch sie wollte keinen Nachnamen tragen, der sie mit dem Volk der Täter identifizierte, immerhin hatten Angehörige dieses Volkes 1915 über eine Millionen Armenier vernichtet. Auch erinnerte Gülbeyaz sich zu gut an die Schilderungen ihres Vaters. Der hatte ihr erzählt, wie er noch in der türkischen Republik als kleiner Junge auf dem Dorf fast täglich von Türken als “Christenschwein” beschimpft und mit Steinen beschmissen wurde.

Liebenswürdige Türken

Natürlich weiß Gülbeyaz, dass es viele liebenswürdige Türken gibt und auch damals gab. Das verdeutlicht bereits ihr Name “Weiße Rose”. Der damalige türkische Staatsbedienstete meinte es bei der Namensänderung ja offensichtlich gut mit ihren Großeltern, auch wenn anderen Armeniern oder Aramäern von anderen Staatsbediensteten schon mal Namen wie “Gullideckel” aufgezwungen wurden.

Wie auch immer: Gülbeyaz hegt weder gegen “die” Türkei noch gegen “die” Türken Groll. Trotzdem empfand sie es als Bruch mit ihrer Identität und als Stich ins Herz, dass sie, als Armenierin mit einer solchen Familiengeschichte, einen türkischen Zwangsnamen tragen sollte.

Und diese Abneigung gegen einen Familiennamen aus der Täter-Kultur ist kein seltenes Phänomen – weder bei Minderheiten aus der Türkei noch bei deutschen Juden oder schwarzen US-Amerikanern. Auch von letzteren ist bekannt, dass sie sich zumal in den 50er- und 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts gelegentlich von ihrem Familiennamen trennten. Sie glaubten, diese Nachnamen seien ihnen allesamt von den früheren Sklavenhaltern angeheftet worden.

Berühmt wurde der Fall des militanten schwarzen Bürgerrechtlers und Muslims Malcolm Little, der sich nur noch “Malcolm X” nannte, weil die weißen Sklavenhalter seiner Familie den wahren Nachnamen gestohlen hätten.

“Namensänderung wünschenswert”

Der Psychiater des NRW-Uniklinikums jedenfalls diagnostizierte bei seiner Patientin – in den Worten des Philosophen Max Horkheimer – die starke Sehnsucht, dass der Täter nicht über das Opfer triumphieren möge. Nach wenigen Sitzungen bekam die Frau, die sich Gülbeyaz nennen musste, ein Attest ausgestellt. Darin bestätigte der Experte, dass die armenische Familie der Patientin “zwangstürkisiert” worden sei, was ihre “persönliche Identitätsfindung” erschwere. “Aus psychiatrischer Sicht” sei daher eine “Namensänderung ausgesprochen wünschenswert und würde der weiteren Genesung hilfreich sein”.

Dem Standesbeamten entgleisten beinahe die Gesichtszüge, als bald darauf wieder die junge Frau mit den schwarzen Locken in seinem Büro auftauchte – und ihm das Attest auf den Tisch legte. Seitdem heißt die heute 31-jährige Kölner Rechtsanwältin nicht mehr Madlen Gülbeyaz, sondern Madlen Vartian. Das bedeutet ebenfalls “weiße Rose”, allerdings auf Armenisch.

So sehr Vartian diesen Moment des Triumphes auch genoss – eine Zumutung war es für sie dennoch: “Ich musste mich zum psychiatrischen Fall machen, ich musste mich sozusagen pathologisieren, um diesen Unterdrückernamen loszuwerden”, sagt sie.

Zustimmung erwartet

Immerhin: Fortan dürfte es leichter werden, sich von derart problematischen Nachnamen zu befreien – sofern der rot-grün dominierte Bundesrat im Oktober zustimmt. Dafür spricht aber vieles. So hat sich auch Bilkay Öney, die sozialdemokratische Integrationsministerin aus dem grün-roten Baden-Württemberg, vor Monaten dafür ausgesprochen, die Namensänderung bei Türkeistämmigen zu erleichtern.

Sollte der Bundesrat also seinen Segen geben, würde nicht nur einer bestimmten Bevölkerungsgruppe “ermöglicht, ihren ursprünglichen Familiennamen wiederzuerlangen, sondern allen Betroffenen in der Bundesrepublik, deren zwangsweise eingeführter Familienname Ausdruck von Verfolgung und Unterdrückung ist”, so betont Daniyel Demir, der Vorsitzende des Bundesverbands der Aramäer.

In der Tat: Nutzen könnten diese Regelung gleich mehrere kulturelle Minderheiten unter den deutschen Staatsbürgern. Schließlich gibt es allemal 15.000 türkeistämmige Armenier, rund 100.000 türkeistämmige Aramäer und zwischen 500.000 und 800.000 türkeistämmige Kurden in Deutschland.

Fehlerhafte Statistiken?

Wie viele von ihnen den Nachnamen ändern wollen, weiß niemand. Ob die Angaben zur Zahl der Türkischstämmigen in Deutschland nach unten korrigiert werden müssen, bleibt also abzuwarten. Eins aber steht fest: Bislang wird deren Zahl an vielen Hochschulen, in Vereinen und sogar in manchen Kommunen anhand der Nachnamen errechnet – obwohl sich die drei genannten Bevölkerungsgruppen nicht als Türkischstämmige, sondern allenfalls als Türkeistämmige verstehen.

Wie unzuverlässig die Ergebnisse sind, wenn man alle Bürger mit türkischen Namen zu Türken erklärt, zeigt ein weiterer Umstand. Dokumentiert sind Fälle von Armeniern, Kurden und Aramäern, die geradezu supertürkische Nachnamen erhielten.

Nun ist es aus patriotisch-türkischer Sicht sicher ein Geschenk, “Öztürk” oder “Öztürker” zu heißen, was soviel wie “reiner” oder “wahrhaftiger Türke” bedeutet. Aus der Perspektive von nichttürkischen Opfern türkischer Politik jedoch zeugt solch ein Name von – Zynismus.

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Foto: Kirsten Neumann Madlen Vartian kämpfte hart dafür, dass sie den ihr aufgezwungen türkischen Namen “Gülbeyaz” ablegen konnte

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