Die türkischen und aserbaidschanischen Staatschefs Erdogan und Alijew hielten in Baku eine Siegesparade ab. Armenien sollte mit Pathos und erbeuteten Panzern eingeschüchtert werden.
- Von Friedrich Schmidt, Moskau
Zur Feier des Sieges im zweiten Karabach-Krieg hatte Aserbaidschans Machthaber Ilham Alijew den großen Verbündeten geladen. Ohne die Türkei, deren Präsident Recep Tayyip Erdogan am Donnerstag mit Alijew die Siegesparade in Baku abnahm, hätte Aserbaidschan schwerlich den „historischen Sieg“ erzielt, den Alijew in seiner Ansprache ausmachte: „Von den ersten Tagen des Krieges spürten wir die Unterstützung der Türkei.“
Alijew dürfte Erdogans Hilfe schon vor Kriegsausbruch am 27. September gespürt haben. Es ging auch um den Einsatz syrischer Söldner, wenngleich Alijew entsprechende Berichte zurückweist. Die Syrer wurden, berichtete die BBC, seit August mit dem Versprechen von leichtem Dienst gelockt, aber am Ende an die Front geschickt. Hunderte sollen gefallen sein, eine Zahl, die natürlich nicht in den vorige Woche veröffentlichten Opferzahlen Aserbaidschans enthalten ist. Demnach sind 2783 aserbaidschanische Soldaten gefallen, mehr als hundert weitere verschollen.
Alijew erinnerte auf der Parade an Jahre der fruchtlosen Diplomatie seit dem Waffenstillstand von 1994 im ersten Karabach-Krieg. „Wir haben uns all diese Jahre vorbereitet und nie eine militärische Lösung des Konflikts ausgeschlossen“, sagte Alijew. Damit widersprach er dem von ihm selbst in den Verhandlungen unter der Leitung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zugesagten Gewaltverzicht. „Heute haben wir die historische Gerechtigkeit wiederhergestellt.“ Im Zuge der Kämpfe und des von Russland vermittelten neuen Waffenstillstands hat Baku die Kontrolle über weite Teile des ehedem armenisch kontrollierten Konfliktgebiets zurückgewonnen respektive „im heiligen Krieg befreit“, so Alijew.
„Unser historisches Land“
Die Armenier sind nun auf russische Friedenstruppen angewiesen, etwa, um den Landkorridor zum noch von ihnen kontrollierten Teil von Nagornyj Karabach zu nutzen. In der Siegesparade wurden neben türkischen und israelischen Drohnen auch erbeutete Panzer und Raketen der Armenier präsentiert. Auch türkische Soldaten marschierten mit. Sie waren eine von vielen Drohungen an die Armenier. Alijew bezeichnete weite Teile Armeniens einschließlich der Hauptstadt Eriwan als „unser historisches Land“.
Erdogan sagte, der Waffenstillstand „bedeutet nicht, dass der Kampf beendet ist“. Die Türkei werde weiter an der Seite ihrer „aserbaidschanischen Brüder“ stehen. „Heute ist der Tag, an dem die Seelen der Märtyrer von Karabach, Enver Paschas und aller Helden der ganzen türkischen Welt Frieden gefunden haben!“, rief Erdogan. Enver Pascha war einer der Hauptverantwortlichen für den Völkermord an den Armeniern im Jahre 1915.
Weder in Baku noch in Eriwan deutet sich an, dass ein Aufruf von Amnesty International erhört wird: Die Menschenrechtsorganisation fordert zur Verfolgung von Kriegsverbrechen auf. Sie hatte Videos geprüft, die etwa Enthauptungen und Leichenschändungen zeigen und beiden Seiten Missachtung des Kriegsrechts vorgeworfen.